Iryna Tomashevska: “Unsere ganze Gegend wurde dem Erdboden gleichgemacht”

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Iryna Tomashevska: “Unsere ganze Gegend wurde dem Erdboden gleichgemacht”

 

Iryna Tomashevska stammt aus der Stadt Mariupol im Osten der Ukraine. Früher war diese Stadt bekannt für ihre Metallurgie und die damit verbundenen Industrien. Sie hatte auch eine gute Infrastruktur, schöne Parks, historische Museumsgebäude und malerische Meereslandschaften. Doch die russischen Eindringlinge verschonten weder die Industrie noch die Architektur noch die Menschen. Die Bewohner von Mariupol, die es geschafft haben, die Stadt zu verlassen, sind jetzt auf der ganzen Welt verstreut. Einige versuchen, in den Trümmern ihrer zerstörten Stadt zu überleben, und es sind sehr viele andere, die ihre Zukunft nie mehr erleben werden.

Das Leben der Iryna Tomashevska und ihrer Familie war eng mit dem metallurgischen Werk “Azovstal” verbunden: Zuerst arbeiteten Iryna und ihr Mann dort, dann ihre Kinder, und deshalb lebten sie alle in der Nähe des Werks. Das Haus, in dem Iryna in den letzten Jahren mit ihrer Tochter Yana und ihrem jugendlichen Enkel Arseniy lebte, befand sich in der Nähe der Küste. Jeden Morgen konnte sie vom Balkon im siebten Stock aus beobachten, wie die Sonne über dem Meer aufging. Diese Erinnerungen waren einige der wärmsten aus ihrem früheren Leben.

Iryna und ihre Umgebung erwarteten keinen umfassenden Krieg. In den ersten Tagen der Bombardements begannen die Menschen in Mariupol, massenhaft Lebensmittel, Medikamente und Bargeld zu hamstern und die Stadt zu verlassen. Die Familie von Iryna geriet jedoch nicht in Panik und führte ihr gewohntes Leben weiter. Am 28. Februar ging Iryna sogar zur Arbeit (nach ihrer Pensionierung arbeitete sie in einer örtlichen Berufsschule). Doch die Situation verschlechterte sich rapide. Das Bewusstsein, dass die Stadt fängt an zerstört zu werden, kam, nachdem eine Rakete in ihr Haus eingeschlagen war.

Innerhalb weniger Tage zog Iryna mit ihrer Tochter und ihrem Enkel in die Wohnung ihres Sohnes Alexander, der in einem nahegelegenen zweistöckigen Altbau wohnte. Diese Wohnung hatte er ein Jahr vor dem Krieg gekauft. Wie sich herausstellte, nicht umsonst, denn das Gebäude bot Schutz und wurde zur Festung, die die Menschen rettete und zusammenführte.

“Irgendwann etwa eine Woche nach der vollständigen Invasion hatten wir in unserer Stadt keine Kommunikationsmöglichkeiten mehr”, erzählt Iryna. “Zu dieser Zeit gab es bereits ständige Bombardierungen – sowohl tagsüber als auch nachts. Alle Nachbarn schlossen sich zusammen und lebten wie eine Familie. Jeder tat etwas zum Wohl aller. Ich habe ständig gekocht, weil ich etwas zu tun brauchte. Am schwierigsten war es, ohne Wasser auszukommen. In der Nähe gab es einen Brunnen, aber mit der Zeit wurde das Wasser darin trüb und sah aus wie Gelee. Trotzdem haben wir es genommen und mit improvisierten Mitteln gefiltert.”

So lebten sie fast einen Monat lang. In dieser Zeit wurde die gesamte Umgebung um sie herum von schweren russischen Waffen zerstört. Einige Raketenangriffe trafen auch Irynas Wohnung, die komplett ausbrannte, und einige Nachbarn kamen ums Leben. Die Nachrichten über den Tod von Bekannten zu erfahren, war am schwierigsten, aber es gab viele solcher Nachrichten: Die Frau ihres verstorbenen Bruders starb nach einem Raketenangriff, ihr Schwiegersohn wurde erschossen, die Freundin ihrer Tochter Yana kam ums Leben. Eine andere Freundin, eine junge Frau, verlor durch einen Beschuss einen Arm und beide Beine. Die Dringlichkeit der Situation und die Verzweiflung waren allgegenwärtig und Iryna Tomashevska sucht immer noch nach dem Schicksal ihrer Verwandten, die zur gleichen Zeit in ihrer Nähe waren.

“Zu dieser Zeit gab es keine starken Emotionen”, erinnert sich Iryna. “Selbst Angst war nicht da. Ich und meine Nachbarin beschlossen sogar, uns in der Nähe umzuschauen, um zu sehen, was los war. Wir trafen einen Soldaten der ‘DNR’ (selbsternannte Republik im Osten der Ukraine), der uns riet, wegzufahren, weil eine ‘Säuberung’ bevorstand. Kurz darauf gab es einen Raketenangriff auf das Haus meines Sohnes in einem benachbarten Eingang. Zum Glück waren die Leute schon ausgezogen, daher gab es keine Opfer. Nur unsere Fenster wurden zerschlagen. Am Fuße dieses Gebäudes stand für eine lange Zeit das Auto meines Sohnes unter freiem Himmel auf der Straße. Ein Nachbar bot uns seinen Garagenplatz an, um das Auto zu verstauen. Es war ein Wunder, denn nur ein paar Stunden später, nachdem wir es gerade erst dorthin gebracht hatten, wurde der Ort, wo das Auto vorher war getroffen. “

In demselben Auto fuhren Iryna, ihre Familie und Nachbarn an einen Ort, der sicherer schien – zu ihrer Datscha am Meer. Die Straßen waren unpassierbar, also mussten sie alternative Routen finden. Der Sohn Alexander musste diese Reise dreimal wiederholen, um alle sicher zu transportieren. Sie konnten die Stadt nicht sofort verlassen, da es an den Kontrollpunkten, Richtung der russischen Grenze, lange Schlangen gab.

Auf der Datscha verbrachte die große Gruppe etwa einen Monat, während sie auf ihre Abreise wartete. Es schien hier ruhiger zu sein, aber es gab kaum Lebensmittel und Trinkwasser. Sie mussten mit salzigem Brunnenwasser und Fisch, den lokale Fischer verteilten, auskommen. Manchmal wurden Lebensmittel und andere Güter gebracht, die verkauft wurden, jedoch nur in russische Rubel, die kaum jemand hatte.

“Dann kam die Zeit aufzubrechen, und das war der schrecklichste Moment in meinem Leben”, erzählt Iryna. “Während wir auf der Datscha waren, haben wir oft mit meinem Enkel gesprochen, ich habe ihm von meiner Kindheit erzählt und versprochen, ihm das Haus zu zeigen, in dem ich aufgewachsen bin. Auf dem Weg zum russischen Kontrollpunkt sind wir genau daran vorbeigefahren. Aber diese schreckliche Szene, die ich gesehen habe, konnte ich meinem Enkel nicht zeigen – ein zerstörtes Haus, in dessen Fenstern und auf den Balkonen viele Leichen lagen.”

Die Filtrationsmaßnahmen dauerten sehr lange und waren unerträglich: Fingerabdrücke, Fotos, verschiedene Fragen. Am längsten dauerte es bei Alexander, sie zogen ihn mehrmals aus und untersuchten ihn auf Tätowierungen und anderes. Schließlich gelang es Iryna und ihrer Familie, an einen sicheren Ort zu kommen. Trotz großer Erschöpfung beschlossen sie, nicht lange in Russland zu bleiben und weiter nach Georgien zu fahren.

In Georgien konnten sie endlich ‘aufatmen’ und Kontakt zu denen aufnehmen, die nach ihnen suchten. Es gab viele solcher Menschen, darunter auch die Mutter des verstorbenen Schwiegersohns, die es geschafft hatte, erfolgreich zu fliehen und in der Nähe von Berlin lebte. Dann trennte sich die Familie – Iryna mit ihrer Tochter und ihrem Enkel nahmen die Einladung ihrer Schwiegertochter an und machten sich auf den Weg nach Deutschland, Alexander und seine Frau fuhren nach Belgien.

Ohne andere Bekannte in Deutschland zu haben, geriet Irynas Familie in ein Lager in Ellwangen und dann in ein Auffanglager in Böblingen. Die Frauen beschlossen jedoch, die Situation selbst in die Hand zu nehmen und nach einer Wohnung zu suchen. Sie fanden eine Wohnung in Oberkochen und zogen bald um. Laut Iryna kehrten hier endlich Gefühle und Geschmack am Leben zurück.

“Ich bin Deutschland sehr dankbar, dass sie uns so gut aufgenommen haben”, sagt Iryna. “Hier fangen wir wieder an zu leben. Hier gibt es sehr schöne Orte, eine unglaubliche Natur. Und die Leute sind sehr offen und einfühlsam. Als wir ankamen, hatten wir fast nichts, aber jetzt haben wir alles, was wir brauchen. Ich hatte Probleme mit meinem Knie, aber vor kurzem wurde ich operiert, und ich fühle mich schon etwas besser. Und ich möchte wirklich so bald wie möglich mit den Einheimischen ins Gespräch kommen, aber Deutsch fällt mir sehr schwer – ich verstehe schon ein wenig, aber das Sprechen ist das Schwierigste.”

Um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, besuchen Iryna und ihre Tochter Sprachkurse, und ihr Enkel integriert sich durch die Schule und neue Klassenkameraden.

Mariupol und alles, was sie erlebt haben, werden ihnen nur durch Fotos auf dem Handy und Nachrichtenberichte in Erinnerung gerufen. Vor kurzem gelang es Iryna jedoch, ihre Freundin zu finden, über die es mehr als ein Jahr lang keine Informationen gab. Dank ihr erfuhr Iryna, dass ihr Haus zusammen mit dem gesamten Bezirk von den Besatzungsbehörden abgerissen wurde. Auf diese Weise versucht Russland, die Folgen seiner Kriegsverbrechen zu vertuschen. Es gibt seit über einem Jahr keine schweren Bombenangriffe mehr in Mariupol, aber die Stadt hat sich immer noch nicht in ein normales, friedliches Leben zurück verwandelt.”

 

 

Ірина Томашевська: “Весь наш район зрівняли з землею”

Рідне місто Ірини Томашевських – це Маріуполь, що розташований на сході України. Колись це місто було відомим своєю металургією та підприємствами, що її виготовляли. До того ж воно мало гарну інфраструктуру, красиві парки, історичні будівлі-музеї та чарівні морські пейзажі. Проте російські загарбники не пожаліли ані промисловість міста, ані архітектуру, ані людей. Маріупольці, яким вдалося виїхати звідти, зараз розкидані по всьому світу, дехто продовжує “існувати” на уламках зруйнованого міста, та дуже багато тих, чиє майбутнє більше ніколи не настане. 

Життєвий шлях родини Томашевських тісно пов’язаний з металургійним заводом “Азовсталь”: спочатку тут працювали Ірина з чоловіком, потім їхні діти, тому і проживали всі неподалік від підприємства. Будинок, в якому останні роки Ірина мешкала з донькою Яною та онуком-підлітком Арсенієм, розташовувався неподалік від морського узбережжя. Тому кожного ранку з балкону сьомого поверху вона могла спостерігати, як з-за моря виходить сонце. І ці спогади – одні з найтепліших, що залишилися з минулого життя. 

Повномасштабної війни Ірина та її оточуючі не чекали. В перші дні обстрілів люди в Маріуполі почали масово скуповувати продукти, ліки, знімати кошти в банкоматах та виїжджати. Родина Ірини загальній паніці не піддавалася та продовжувала своє звичне життя. 28 лютого жінка навіть вийшла на чергування на роботу (після виходу на пенсію вона мала підробіток в місцевому технікумі). Проте ситуація стрімко погіршувалася. Усвідомлення того, що місто починають знищувати прийшло після того, як одна з ракет прилетіла під їхній будинок. 

За кілька днів Ірина з донькою та онуком перебралися до квартири сина Олександра, що мешкав неподалік в двоповерховому будинку старого типу. Цю квартиру чоловік купив за рік до війни. Як виявилося, не дарма – будинок мав укриття та став тією фортецею, що врятувала та об’єднала людей. 

“Десь через тиждень після повномасштабного вторгнення наше місто залишилося без будь-яких комунікацій, – розказує Ірина. – На той час вже були постійні обстріли – і вдень, і вночі. Всі сусіди тоді об’єдналися та жили як одна родина, кожен щось робив на спільне благо. Я постійно готувала щось, бо мені потрібно було чимось займатися. Найскладніше було виживати без води. Неподалік був колодязь, але з часом вода в ньому стала мутною та схожою на кисіль. Все одно набирали її та фільтрували підручними засобами”. 

Так вони прожили майже місяць. За цей час весь район навкруги був знищений важкою російською зброєю. Кілька прильотів було й в будинок Ірини – квартира згоріла, дехто з сусідів загинув. Дізнаватися про смерті знайомих було найважчим, та таких новин було багато: від прильоту померла дружина покійного брата, був застрелений зять, загинула подруга доньки Яни. Ще одна подруга, молода жінка, втратила внаслідок обстрілу руку та обидві ноги. Вибуховою хвилею її відкинуло з будинку на вулицю, де два дні вона пролежала без свідомості. Доля рідних, що в той час були поблизу цієї жінки, невідома, але вона й досі продовжує їх шукати.